Ich hatte in dem vorherigen Artikel erwähnt, daß ich beide Seiten des Tresens nur zu gut kenne. Und somit möchte ich es auch nicht missen, die Kehrseite der Medaille zu erwähnen.
Ich habe jahrelang als Rezeptionistin in einem Hotel eines großen Freizeitparkes gearbeitet.
Es ist teuer, wenn man mit seinen Kindern hinkommt und es werden große Träume und Wünsche versprochen. Dementsprechend sind die Erwartungshaltungen auch groß, doch die Grenze zwischen plausibel und nicht plausibel ist nicht mehr erkennbar. Manchmal gab es wirklich größere Schwierigkeiten und unser bestmögliches gebend waren die Gäste dann auch dankbar. Doch manche Gäste nutzen es schamlos aus, wissen, „wie der Hase läuft“, welche Schalter zu bewegen, um etwas gratis zu bekommen. Diese Menschen ernten schlicht und einfach nur mein Mitleid. Ich weiß, nach wie vor, es ist teuer. Und es ist ein großer Traum, besonders der kleinen Gäste, der da in Erfüllung gehen soll.
Doch gibt es eben Probleme einer Art, auf die kein Mensch der Welt Einfluß hat. Ich denke da an das Wetter, an Maschinen die nicht funktionieren. Bei letzterem frage ich mich, was ist Ihnen lieber, das wir auf ihre Sicherheit achten oder daß Sie für zwei Minuten Ihr Vergnügen hatten und dann womöglich Ihr Leben lang mit einer schlimmen Krankheit zu kämpfen haben.
Auch eine Traumfabrik ist eine Art Maschinerie, die auf eine ganz bestimmte Art und Weise funktioniert. Lassen Sie die Menschen, die etwas davon verstehen, ihre Arbeit machen. Wenn Sie uns dieses gewähren, verspreche ich Ihnen, daß diese Traumfabriken noch lange Zeit Bestand haben und Sie und Ihre Familie noch lange Zeit davon profitieren können. Denken Sie nicht nur an jetzt und die jetzigen Vorteile, denken Sie langfristiger.
Um in die Rolle dieser Mitarbeiter zu schlüpfen, möchte ich Ihnen folgendes nicht vorenthalten. So ähnlich wurde einmal „das Glaubensbekenntnis eines Rezeptionisten“ von einer mir unbekannten Person geschrieben, ich kann nur sagen, diese Person wußte, wovon sie redet:
„Ich bin Rezeptionist. Ich kenne die genaue und absolut zuverlässige Wettervorhersage während ihres Aufenthaltes. Ich haben genau gewußt, daß Sie heute anreisen, obwohl sie ihre Reservierung für 4Wochen früher gemacht und selbst bestätigt haben. Und obwohl wir komplett ausgebucht sind, habe ich ein Zimmer für sie schnell gebaut und eingerichtet. Ich weiß auch, daß Sie ein Kingsizebett bevorzugen, ich habe das Bett extra für Sie sogar einen Zentimeter länger gebaut, denn genauso mögen Sie es. Das Zimmer hat selbstverständlich Aussicht auf das Meer und ich habe dafür gesorgt, daß der Mittagswind, der für gewöhnlich anhält, während ihres Aufenthaltes einen Bogen um Ihren Balkon macht.
Ich spreche fließend Deutsch, Niederländisch, Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Suaheli, Japanisch, Mandarin, Russisch und Slowakisch. Ich habe Ihre Reservierung für das Restaurant Ihrer persönlichen Wahl bereits vor zwei Wochen gemacht, und obwohl dieses Restaurant Monate vorher ausgebucht ist, war dieses nicht der Rede wert.
Obwohl 20 andere Menschen in der Schlange stehen, müssen Sie selbstverständlich nicht warten, Sie kommen sofort dran. Ihr Problem und auch Ihre Fragen sind in weniger als 5 Minuten gelöst, ungeachtet der Kompliziertheit und natürlich habe ich auch eine schnelle Lösung für Ihr privates Problem an Ihrem Haus gefunden.
Ich weiß ganz genau, welche Produkte aus der Minibar sie tatsächlich genommen haben und natürlich haben Sie den zahlbaren Videokanal in Ihrem Zimmer nicht benutzt.
Ich persönlich übernehme vollste Verantwortung für das Wetter, das nicht Ihren Vorstellungen entspricht und es ist auch meine Schuld, daß auf der Autobahn ein Unfall geschah und Sie somit 45 Minuten später im Hotel angekommen sind, als es unbedingt nötig war.
Obwohl es auf unserer Internetseite deutlich zu erkennen war, daß während Ihres Aufenthaltes bei uns das Schwimmbad und die Sauna wegen jährlicher Wartungsarbeiten geschlossen ist, ist auch dies unsere Schuld und natürlich geben wir Ihnen 20% Reduktion auf Ihr bereits sehr günstigen Zimmerpreis. Ich wußte bereits im Vorfeld, daß Sie an Ihrem Abreisetag unerwartet 2 Stunden früher abfahren müssen. Selbstverständlich bin ich dazu in der Lage, Ihnen entsprechend ein Taxi zu bestellen und auch Ihren Flug umbuchen zu lassen, obwohl Sie einen Tarif bezahlt haben, bei dem weder Rückerstattung noch Umbuchung möglich ist.
Ich bin Rezeptionist. Ich habe ein Psychologiestudium absolviert, die Hotelfachschule mit Bravour gemeistert, und habe im Schnellverfahren die Sprache gelernt, die Sie gerade sprechen. Ich bin Gedankenleser, kann Ein- und Auschecken, Rechnungen begleichen und Streit schlichten, dreizehn Fragen beantworten und eine Reservierung am Telefon annehmen, und all das zur gleichen Zeit. Ich bin da in der Früh-, Abend- und Nachtschicht. Mein Leben ist dazu da, um Ihres binnen kürzester Zeit um 180 Grad zu wenden und Ihnen Ihr höchstpersönliches Glück für Ihr ganzes weiteres Leben zu ermöglichen. Nein, Sie brauchen Ihren eigenen Kopf während Ihres gesamten Aufenthaltes nicht einmal zu gebrauchen, Sie haben schließlich Urlaub...“
Mir ist bewußt, daß dieses „Glaubensbekenntnis“ provokant und scheinbar aus der Luft geholt ist. Ich habe mich entschieden, das „Problem Gast“ auf diese Weise zu beschreiben. Glauben Sie mir, nach zehn Jahren, in denen ich als Azubi in allen Abteilungen, als Rezeptionistin, „Guest Service Agent“ und Concierge in den USA, Frankreich und Deutschland gearbeitet habe, hatte ich so einige skurile Dinge erlebt. Und so sehr man meint, das ist doch ein Extremfall, so ein Blödsinn, das passiert alle hundert Jahre, ich sage Ihnen: NEIN. Das passiert genau in diesem Augenblick, wo Sie diese Zeilen lesen, wieder. Wieder und wieder. Es gibt Menschen, die 4 Wochen zu früh oder zu spät anreisen, und es allen ernstes dem Rezeptionisten in die Schuhe schieben wollen. Es gibt Menschen, die allen ernstes an die Rezeption kommen, sich über den Nachmittagswind beschweren, verlangen das etwas dagegen getan wird, aber natürlich nicht das Zimmer wechseln wollen.
Ich versuche mit diesen beiden Artikeln ein Licht auf beide Seiten zu halten, diese Lichter werfen gleichzeitig auch Ihre Schatten. Verstehen Sie mich nicht falsch, diese Art von Gast Service ist nach wie vor eine meiner Berufungen. Ich freue mich und bin happy, wenn ich an die schönen Momente zurückdenke. In denen es wirklich Probleme gab und meine Unterstützung wirklich gebraucht wurde und auch gern angenommen wurde. Doch leider kursiert (oder kursierte) ein Buch darüber, wie und über was man sich beschweren soll, damit man etwas gratis bekommt. Was soll ich sagen, so etwas verdreht mir den Magen, ich mag es nicht.
Ich habe es mir nun zu meiner Aufgabe gemacht, diese schönen und lästigen Situationen zu zeigen, in der Hoffnung, daß diese „Schmarotzer-Züge“ als solche erkannt werden, und wir alle mal realistisch darüber nachdenken. Ich bin nicht naiv oder dumm, ich weiß, daß ich nicht alle bekommen werde. Aber wenn zwei von fünf vor Ihrem nächsten Aufenthalt ein wenig darüber nachdenken und sich entsprechend zeigen, dann habe ich schon viel erreicht.
Ich hoffe, ich habe Sie neugierig gemacht. Freuen Sie sich auf mein Buch mit mehr Geschichten und mehr Details, schon ganz bald...
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